Montag, 5. Oktober 2015

Der einzig wahre Weg: Recovery

Ich denke es wird mal wieder Zeit für einen neuen Blogpost, denn der letzte ist schon eine halbe Ewigkeit her.. Leider.. Aber mir fehlte jegliche Motivation und Lust und vor allem eine Idee.

Wie der Titel schon sagt, will ich über das einzig richtige in der Zeit einer Essstörung schreiben- nämlich über die Recovery (das Gesund werden, Genesen, oder wie auch immer man es nennen möchte). Ich will euch zeigen, was das recovern mit sich bringt, welche positiven Seiten ihr schnell erkennen werdet, welche Möglichkeiten es gibt um überhaupt dorthin zu gelangen und am Ende will ich euch - den Kämpfern da draußen und die die es noch werden wollen - ein Buch zu tiefst ans Herzen legen. 

Aber nun von vorn: Wie kam es bei mir zu diesem Entschluss und was geschah danach? 
Die Geschichte ist kurz, aber zeigt auch verschiedenste Möglichkeiten. Alles begann eigentlich damit, das ich mich immer schlechte fühlte- körperlich und seelisch. Ich wurde immer weniger, mir ging es von Tag zu Tag schlechter, die Gedanken wurden immer schlimmer. Ich befand mich zwischen nichts essen und alles essen. Zwischen Sport und kotzen. Und dann gab es noch den kleinen Gedanken in mir, endlich wieder gesund werden zu wollen. Lange genug hab ich mir damit mein Leben erschwert und mir wortwörtlich das Leben genommen. Ich wollte nicht mehr, das es so weitergeht. ICH WOLLTE WIEDER LEBEN. Und ich denke, dieser Punkt ist der wichtigste, denn das ist die Einsicht, die meistens immer zu spät kommt. Aber besser als nie oder? Definitiv! Es ist so schwer sich einzugestehen, das man überhaupt krank ist. Krank? Ich? Niemals? Aber oh doch, man muss nur eins und eins zusammenzählen, so wie wir es in der Schule gelernt haben. Wenn diese Einsicht dann jedoch da ist, ist es Zeit zu handeln. Aber wie hab ich mich nur zu oft gefragt.. Einfach wieder normal essen? Nein, geht dann doch nicht so einfach, denn die Gedanken und das schlechte Gewissen nagt zu sehr an einem. Wie oft stand ich vor dem Kühlschrank und habe mit leeren Augen reingeschaut.. Zu oft.. Wie oft hab ich mir beim Bäcker gewünscht einen Croissant oder eine Brezel zu essen? Zu oft.. Wie oft hat meine Mum mich mit traurigen Augen angeschaut und ich wusste genau was diese Augen mir sagen wollten: Iss doch bitte.. Ich kann dich nicht gehen lassen, ich kann dich doch nicht sterben lassen.? Auch das, viel zu oft und das ist das schlimmste.. Ich hab meinen Papa nie weinen sehen, aber in dieser Zeit flossen die Tränen zu oft. Es zerbricht einen verdammt nochmal das Herz. In der Schule ging das Drama weiter, nachdem es die ersten wussten, flehten auch ihre Blicke mich an, mir doch endlich Hilfe zu suchen. 
Meine Mum unternahm in dieser Zeit Dinge, von denen ich bis dahin nichts wusste. Sie telefonierte mit Ärzten, Therapeuten und Psychiatern, um mir endlich helfen zu können. Denn das verdiente ich. Aber die Ärzte sagten, sie wären nicht darauf spezialisiert. Die Therapeuten konnten nichts ohne die Ärzte machen und hatten zu dem Wartezeiten von bis zu 6 Monaten. Bei den Psychiatern sah es ähnlich aus. Aber nichts desto trotz sollte man aufgeben. Weitersuchen ist das Stichwort oder einfach zu irgendeinem Arzt gehen, schließlich können die einen nicht so einfach wegschicken. Das hat meine Mum dann auch getan, mit den Worten ´´Du musst zur Zeckenimpfung.´´ Mit den Gedanken an die Impfung ging ich also hin und dann ging das Theater los. Wiegen, Blut abnehmen, Blutdruck messen und Urinprobe. Das kam mir dann schon komisch vor, aber man weiß ja nie. Als sie dann aber plötzlich anfing von Essstörungen zu reden und meine Mum mit reinzuholen, bin ich innerlich eskaliert. So wahr will man es dann doch nicht haben. Und was machen verängstigte Menschen, die sich schützen wollen? Richtig, wegrennen. Meine Mum blieb allerdings und kam dann mit einer Überweisung von einer befreundeten Psychiaterin meiner Ärztin zurück. Dann gab es kein zurück mehr. Nach ewig langen Gesprächen mit meiner Mum, haben wir uns dann für eine Klinik entschieden und ich wusste das war der Beste Weg. Ich hatte panische Angst. Hab geweint. Wollte nur noch weg. Meine Sicherheit und Kontrolle wurde mir genommen- im Nachhinein betrachtet, ist das das einzig richtige. In der Klinik konnte ich mir meinen sehnlichsten Wunsch erfüllen- wieder essen und Spaß haben. Ich habe so viele tolle Menschen kennengelernt, mit denen ich teilweise noch heute Kontakt habe. Zusammen ist man stark und niemals ganz allein. Auch das man mal von zu Hause wegkommt, ist nicht schlecht und bringt vieles positive mit sich. Ich wurde selbstständiger, konnte mich loslösen und meine eigene Identität entdecken. Ohne Klinik wäre das niemals passiert. Aber das ist ein anderes Kapitel. 
Trotz viele Rückschlägen und ständigen Abnahmen und dem Gefangen sein in der Essstörung, habe ich den Gedanken an das Gesund werden, nie wieder losgelassen. Es drang immer weiter nach vorn in meinem Kopf und konnte sogar die anorektischen und bulimischen Stimmen ein wenig verdrängen. Ist das nicht toll? JAAA! Ihr glaubt gar nicht wie toll es ist, wenn man nicht 24/7 an Essen oder Gewicht oder Kalorien denkt. Denn all das wird einen in der Klinik abgenommen. Da sind Profis (naja zumindest meistens) und man kann meinen sie wissen was sie tun. Das gibt einen Ruhe. 
Trotz allem kann ich nur sagen, bleibt nicht zu lange in der Klinik. Meine fast 5 Monate waren einfach zu viel. Ich habe den Absprung verpasst und nach einer Weile geht einen nur alles auf den Sack und auf die Nerven. Mich hat alles nur noch angekotzt. Also verpasst den richtigen Moment des Absprungs nicht. 

Wie ging es zu Hause weiter?
Zu Hause ging eigentlich der normale (naja fast normale) Alltag weiter, wären da nicht die ständigen Sorgen meinerseits und die von meiner Mum gewesen. Aber wisst ihr was dabei hilft? Reden!!! Auch wenn ihr keinen Bock dazu habt, ihr könnt eure Gefühle und Gedanken nicht euer ganzes Leben unterdrücken. Auch hier kommt wieder die Einsicht ins Spiel. Reden hilft und löst Probleme. 
Der nächste Schritt war es dann, sich um einen Therapeuten zu kümmern. (Am besten man beginnt schon mit der Suche in der Klinik). Den hatte ich dann auch recht schnell, aber gemocht hab ich die Person nie. Daher ging es dann ganz schnell von meiner Seite zu sagen: Nööö ich brauch das nicht, ich bin gesund. Typisch Kleinkind würde ich sagen. Und es war einfach nur naiv von mir zu denken, das ich das schaffe- allein, denn meine Mum hat erst ein halbes Jahr später erfahren, dass ich nicht mehr zu dieser Therapeutin gehe. Mir ging es schnell wieder schlechter und Rückfall numero 1 meldete sich an. Da geh ich jetzt aber nicht näher drauf ein. Genauso wie auf Rückfall 2 und 3. Das Spiel wiederholte sich zu oft. Trotzdem hab ich niemals aufgegeben und habe immer wieder neuen Mut gefasst. Das ist Stärke. Nach dem ich dann nach ca. 3 Jahren eine gute Therapeutin gefunden habe und ich mich an sie gewöhnt hatte, ging es schnell bergauf und hält immer noch an. Aber Rückschläge gibt es immer noch, aber na und! Ich kann damit leben und habe die richtigen Lösungen gefunden. Dazu werde ich mal einen anderen Post schreiben. 

Es gibt nur zwei Möglichkeiten? 
Nein, es gibt vermutlich unendlich viele. Aber die letzte auf die ich noch eingehen will, ist es ganz allein zu Hause zu schaffen. Ich hab es nie probiert, weil ich die Möglichkeit dazu einfach nicht hatte. Aber ich denke, man kann es schaffen. Wie effektiv, kann ich leider nicht beantworten. Aber jeder kann es für sich rausfinden, aber man sollte auch selbst rechtzeitig erkennen, wenn es so eben nicht funktioniert. Es ist kein Verbrechen und auch keine schlimme Tat in eine Klinik zu gehen oder sich einen Therapeuten zu suchen, schließlich ist sowas dafür da. 

Was ich noch kurz anmerken will, ich finde es ziemlich feige, wenn man sich immer wieder selbst einredet, dass man nicht krank genug ist. Ich weiß das ist ein Teil der Essstörung, aber verdammt hört doch auf, auf diese scheiß Krankheit zu hören. Habt ihr es nicht verdient zu leben? Habt ihr es nicht verdient Spaß zu haben? Habt ihr es nicht verdient zu lachen und zu essen? DOCH VERDAMMT DAS HABT IHR!!! Hört auf euch sowas einzureden, schließlich könnten es eure letzten Worte oder Gedanken sein, bis eure Eltern euch euren Sarg aussuchen..Stellt euch das doch mal vor.. Allein schon bei den Gedanken bekomm ich Gänsehaut. Ich weiß, das klingt hart, aber es ist die verdammte Realität. 

So nun die positiven Seiten, es sind zu viele, daher nur das Wichtigste:

LACHEN: Ich hatte zu lange mein wahres Lachen in mir vergraben. Ich meine worüber soll man auch lachen? Über die Essstörung? Über das was man nicht essen kann? Über das bisschen was man überhaupt gegessen hat? Über die Emotionslosigkeit? BESTIMMT NICHT! Wann habt ihr das letzte mal wirklich gelacht? In dem Punkt geht meine vollste Dankbarkeit an meine beste Freundin, Melissa (annnaaal, schnell reden :) ) und an all meine anderen Freunde, die mir immer wieder den Tag versüßen.

ETWAS MIT FREUNDEN UNTERNEHMEN: Nöööö, man hat alles getan um solchen Situationen aus dem Weg zu gehen, weil man Essenssituationen vermeiden will. Aber ihr wisst gar nicht was ir alles verpasst. Nichts ist schöner, als sich mit neuen Dingen herauszufordern. Neues Essen zu genießen, was man sich sonst nie getraut hätte. Die besten Pommes und Burger, Bagels, belegte Brötchen oder Pizza und und und zu essen und zu genießen. Nichts ist schöner...  Aber nein, genau solche Situationen werden vermieden, Ausreden gesucht und gelogen..

LEBEN, mehr muss ich nicht sagen oder?

und dann wären da noch: 
strahlende Augen, rosige Wangen, Urlaube, fremdes und geiles Essen, Partys, Feiern, Geburtstage, Torte, Kuchen, Schokolade, Nutella, Gummibärchen, Pizza, Sommer, Frühlinge, Herbst und Winter ohne frieren und verstecken, Pizza bestellen, Energie haben, Sport ohne Qualen, heißer Kakao, Fast Food, neues Essen probieren, Bäckereien, entspannen, Liebe, Freundschaften, Kinder, Sonnenuntergänge und Aufgänge, Städtetrips, kochen und backen und es essen, Eis, Schulabschluss, studieren, Familie, Cookies, Kinobesuche und buttriges Popcorn, Alkohol, Oktoberfest, Weihnachtsmärkte, gebrannte Mandeln, Riesenbrezeln, frische Brötchen, Gebäck, Franzbrötchen... LEBEN HALT


Ich will euch einfach nochmal ans Herz legen, dass es all das Wert ist und das es nichts schöneres gibt, als zu leben, auch wenn man nicht geheilt ist und es immer Rückschläge gibt.. Es lohnt sich so sehr. wirklich...

Jetzt noch zu dem Buch: Gramm für Gramm zurück ins Leben von Harriet Brown!!!
Einfach lesen...


Passt auf euch auf ❤️
Eure Anna